„99 Prozent der PR-Mails interessieren mich nicht“

 

Am 13.02.2020 war das Thema von „Cision Meets … Holger Dambeck“ der Datenjournalismus, in den der Spiegel-Redakteur tiefe Einblicke gewährte. Doch natürlich kam in Hamburg auch das Thema PR-Pitch auf den Tisch: Von den Pressemitteilungen interessiert mich höchstens ein Prozent, sagte Holger Dambeck. Er kann sich nicht erklären, wie Unternehmen auf die Idee kommen, dass der Spiegel eine Meldung über den neuen EMEA-Chef eines unbekannten Unternehmens abdrucken würde.

 

Zum Start des Events gewannen die Zuschauer Einblick in den Werdegang des Spiegel-Redakteurs Holger Dambeck: Dem Studium der Physik und Romanistik folgte eine kurze Zeit als Werbetexter, dann kam schon der Sprung in den Journalismus – erst als Redakteur bei c`t, dann bei Spiegel ONLINE, wo er lange Zeit Ressortleiter Wissenschaft/Gesundheit war. Heute bezeichnet er sich als Datenjournalist und in seinem neuen Vertrag steht Spiegel – denn Spiegel ONLINE und Spiegel wurden vor Kurzem zusammengelegt.

 

Was macht ein Datenjournalist?  

Der Datenjournalist nutzt Daten, um Themen zu finden und Hypothesen zu prüfen. Dabei gibt es noch wenige Unternehmen, die über Daten Stories an den Spiegel pitchen – das wird vermutlich auch bei anderen Medien der Fall sein. Die Daten verifizieren Informationen und ihre Darstellung in der passenden grafischen Art kann erstaunliche Ergebnisse haben, visuell und interaktiv Geschichten erzählen. Die Leser erhalten coole Diagramme statt langer Texte.

Beispiel Heatmaps: Man sieht die häufigsten Wurfpositionen in einem Basketballspiel als kleine Sechsecke auf dem Spielfeld – im Vergleich der Saisons von 2001/02 und 2016/17 wird auf einen Blick deutlich – heute werfen die Profis nur noch von dort, wo es drei Punkte gibt, von außerhalb des Kreises. Die Taktik einer ganzen Sportart hat sich geändert. Eine andere Heatmap, die Holger Dambeck als Beispiel mitbrachte, zeigt deutlich durch verschiedene Farbintensitäten die Schwächen und Stärken der Spieler.

Andere grafische Darstellungsarten sind das Sankey-Diagramm für Mengenflüsse, mit dem der Spiegel interaktive Wählerwanderungen anzeigt, der sehr schicke Steamgraph, der Veränderungen im Zeitverlauf anschaulich macht, oder das Small Multiple, das viele kleine Grafiken des gleichen Themas mit einer Änderung gegenüberstellt – damit werden bestimmte Sachverhalte schnell deutlich. Themen der fünf Datenjournalisten beim Spiegel waren unter anderem der Zustand von Brücken in Deutschland, die Folgen von Tempolimits und die Verspätungen diverser Verkehrsmittel.

 

Wie der Spiegel an Daten kommt

Zu den Daten kommt der Spiegel über Open Data der Behörden, was sich aktuell immer mehr verbreitet, über Anfragen bei Unternehmen und Institutionen aber auch über Web Scraping von Webseiten und Klagen, wenn eine Institution Daten nicht herausgeben möchte. Aber auch eigene Umfragen liefern oft wertvolle Daten, aus denen gute Stories und Grafiken entstehen können. Unter Web Scraping versteht man übrigens das automatisierte Auslesen fremder Webseiten – wenn beispielsweise ein Verkehrsunternehmen dort Verspätungen angibt, kann man die Daten über Monate sammeln und die Ergebnisse darstellen.

 

Gute Stories und Relevanz

Pitchen an den Spiegel war natürlich noch ein Thema auf dem Event. „Eigentlich will doch kein Unternehmen im Spiegel erscheinen“, sagte Holger Dambeck und erntete nervöse Lacher der rund 30 Gäste, die aus dem PR-Bereich kommen. Wenn man pitcht, ist die Gießkanne nicht ratsam. Jeder PR-Profi sollte sich den speziellen Journalisten genau anschauen und seine persönlichen Vorlieben kennen. Es ist besser, eine Handvoll Journalisten anzusprechen, als ein eventuell nicht zufriedenstellendes Ergebnis damit rechtfertigen zu wollen, dass man alles getan hat – nämlich möglichst vielen Journalisten eine E-Mail schickte. Wer sich über die Story intensiv Gedanken gemacht hat und die Zielgruppe kennt, braucht nur wenige Journalisten ansprechen und wird mit höherer Wahrscheinlichkeit von Earned Media berichten können. Besonders, wenn Daten seine Aussagen untermauern. 

 

Vielen Dank an alle Teilnehmer des Interviews, und an Holger Dambeck für die gehaltvollen Einblicke in den Redaktionsalltag beim Spiegel.

 

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