Sicher ist das Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos ein gutes Netzwerkevent für die Teilnehmenden und der Austausch von Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft ist und bleibt wichtig. Organisationen nutzen jedes Jahr wieder die Aufmerksamkeit, die das Event von den Medien bekommt, um eigene Studien und Initiativen zu präsentieren. Wie sinnvoll ist die Investition? 

 

Spätestens seit Kahnemanns Beststeller „Schnelles Denken, langsames Denken“ kennen wir den Einfluss von Heuristik und Voreinstellungen auf unser Denken. Folglich ist es für jeden Kommunikator hilfreich, verschiedene Perspektiven einzunehmen, bevor man Entscheidungen trifft – beispielsweise, ob man nächstes Jahr auf das WEF als Plattform setzen sollte. Dieses Jahr fand das Forum vom 22.-23. Mai statt, ohne Russische Delegierte, ohne führende US-Politiker und ohne den Machthaber aus China, der im Jahr 2020 noch die Eröffnungsrede gehalten hatte. Allein damit wurden geopolitische Statements gesetzt.

Experten von Cision Insights haben jetzt die komplette Berichterstattung rund um das WEF ausgewertet, im Zeitraum 22.-26. Mai, und dabei weltweit die traditionellen ebenso wie Social Media einbezogen. Das Ergebnis liefert wertvolle Hinweise für alle Kommunikatoren – und Sie sehen: Auch wir als Cision nutzen das WEF für die Kommunikation, aber indirekt.

 

Die Themen aus Sicht des WEF

Die Schwerpunktthemen des WEF, der das Motto „History at a Turning Point“ hatte, haben Gayle Markovitz und Samantha Sault auf der Webseite des WEF zusammengefasst. Als erstes Thema nennen sie die große Bedeutung internationaler Kooperation im Angesicht des Ukraine-Kriegs. 

Zweitens folgen die drei verbundenen Krisen Klimawandel, Nahrung und Energie – Emissionen, Preise für Nahrung und Energie steigen rasant und können zur Herausforderung für Gesundheit, Geopolitik und Sicherheit werden. Das dritte Thema auf dem Forum war eine mögliche weltweite Rezession, das vierte COVID 19: Wie können wir uns auf die nächste Pandemie vorbereiten, wenn viele Länder noch immer keinen Zugang zu Impfstoffen haben?

Das fünfte Thema steht jedes Jahr auf der Agenda: Die Zukunft der Arbeit in Bezug auf Ungleichheiten und künftig benötigten Jobprofilen. Gerade Frauen machen noch viel unbezahlte oder schlecht bezahlte Care Work, brachte Oxfam International auf den Tisch, die in der Medienanalyse allerdings kaum Reichweite erzielten. Als sechstes und letztes Thema sah das WEF die Digitalisierung, die bei der Lösung einiger der oben genannten Probleme unterstützen kann.

 

Wie kamen die Themen bei der Deutschen Welle (DW) an?

Ein Beispiel unter vielen: DW-Chefredakteurin Manuela Kasper-Claridge meint, es würde nicht helfen nur über die Themen zu reden. Damit ist sie eine von vielen, die das WEF im Grundsatz kritisieren. Sie möchte konkrete Ergebnisse haben wie beispielsweise, das Getreide wieder aus der Ukraine exportiert werden kann, das die russische Kriegskasse nicht von steigenden Energiepreisen profitieren darf, das Europa einen Notfallplan für die Energieversorgung im Winter braucht oder das wir jetzt schon einen Marshall-Plan für die Ukraine erarbeiten. An diesen berechtigten Punkten ist zu merken: Noch oft wird dem WEF eine Macht zugeschrieben, die es nicht hat und nie hatte. Es ist ein Netzwerkevent und eine Plattform über die Botschaften in die Welt gesendet werden. Doch in einer Welt, deren Probleme jetzt Lösungen brauchen, sollten sich Kommunikatoren fragen – wie kommen die Botschaften an? Wie kann ich als sendendes Unternehmen auf meine Zielgruppe wirken, welche Diskussionen anstoßen, in den sozialen Medien oder aber auf anderen Kanälen?

 

Thematische Integration schafft Aufmerksamkeit

Über was die Medien schreiben, bestimmen üblicherweise die geopolitischen Ereignisse des Augenblicks. Themen wie künstliche Intelligenz oder das Metaverse werden zu Randthemen, ebenso gehen die meisten Ankündigungen von Unternehmen in der Masse an Informationen unter. Soweit ist das dieses Jahr nicht neu. Wenn man als Kommunikator eines Unternehmens kein Thema hat, das zur aktuellen Nachrichtenlage passt, sollte man sich überlegen, es nicht zum WEF zu veröffentlichen, sondern eine eigene Inszenierung zu schaffen.

Aber unsere Auswertung zeigt deutlich, dass es Unternehmen gibt, die aus der Masse herausstechen: Bei ihrer WEF-Berichterstattung nannten die Medien in überwältigenden 32 Prozent der Artikel  Pfizer. Der Pfizer-CEO Albert Bourla kündigte auf dem WEF an, alle patentgeschützten Arzneimittel für alle Länder mit niedrigem Einkommen zum Selbstkostenpreis bereit zu stellen, inklusive der Länder, die den Status niedriges Einkommen vor zehn Jahren verlassen haben. Wir sprechen über 45 Länder, in denen 1,2 Milliarden Menschen leben. Ankündigungen diese enormen Größenordnung kommen bei den Medien an – ob die Ankündigung abseits des WEF noch mehr Aufmerksamkeit bekommen hätte? Wir können nur raten.

 

Meistgenannten Unternehmen in Davos

Auch der chinesische Konzern Alibaba wurde in 27 Prozent der Artikel genannt, weil J. Michael Evans, der Präsident der Alibaba-Gruppe, ankündigte, dass Verbraucher mit den Daten und Technologien des Konzerns ihren eigenen CO2-Fußabdruck messen können – Reisen, Essen, Konsum – die verfügbaren Daten fließen ein. Microsoft wurde noch in 14 Prozent der Artikel erwähnt, dann folgt YouTube mit 2 Prozent und alle weiteren liegen darunter. Ihre Themen integrierten sich weniger in die aktuelle Nachrichtenlage oder hatten geringeren Einfluss auf globale Probleme. Wirkliches Agenda Setting scheint im Umfeld des WEF nicht möglich zu sein – oder nur mit einem Aufwand, der nicht mehr vertretbar wäre.

 

Weitere Ergebnisse des Media Trends Report zum WEF 22

Mit 27 Prozent der Berichterstattung war der Krieg in der Ukraine das dominierende Thema des WEF. Gefolgt von Artikeln über das Format des Kongresses und Kritik am WEF als solches – mit einem Share of Voice von 17 Prozent. Die Themen Klimakrise und Energieversorgung kamen auf je 11 Prozent der Berichterstattung. Covid 19 auf 10 Prozent, wobei die Themen nicht unbedingt isoliert voneinander aufgegriffen wurden.

Welche Themen beim WEF 22 besprochen wurden

Schon fast erschreckend ist, dass das WEF – verglichen mit dem Präsenz-Event vom Jahr 2020 – etwa 44 Prozent weniger Medienaufmerksamkeit erhielt, auch weil zeitgleich die geopolitische Lage zwischen den USA und China im Pazifik die Aufmerksamkeit der internationalen Medien auf sich zog. Dazu äußerten viele der Berichterstatter ihre Zweifel in Bezug auf die Relevanz des Forums – wie die schon erwähnte DW oder Larry Eliott von The Guardian, der schrieb, das viele das elitäre Forum in der heutigen Welt für überflüssig halten. In den Social Media häufen sich während des WEF die Beiträge über Verschwörungstheorien, die das Bild des Ereignisses verzerren. Das sorgte dafür, das 13 Prozent der Berichterstattung negativ waren - ein neuer Tiefpunkt.

 

Fazit: WEF ein Risiko für die Reputation?

Die globale Berichterstattung über das WEF konzentrierte sich auf Politiker und Institutionen, weniger auf die Unternehmen. Wenn letztere eine hohe Sichtbarkeit erreichten, brachten sie Themen auf den Tisch, die die Gesellschaft verbessern sollten. Nur wenige CEOs einflussreicher Gesundheits- und Technologieunternehmen nutzen das WEF 22, um neue Initiativen eben zur Bewältigung sozialer Probleme anzukündigen – wie Pfizer. Der Gesundheitskonzern maximierte die Aufmerksamkeit der Medien auch dadurch, indem er seine Initiative gemeinsam mit Regierungsvertretern ankündigte – fünf Staaten sollten als erstes die patentgeschützten Arzneimittel zum Selbstkostenpreis erhalten.

Die Taktik, geplante Initiativen gemeinsam mit politischen Gremien und Institutionen anzukündigen, dürfte auch bei künftigen Weltwirtschaftsforen zu erhöhter Aufmerksamkeit führen.

Vor der Teilnahme an künftigen Veranstaltungen sollten sich Unternehmen und politische Institutionen fragen, ob es das Reputationsrisiko wert ist, an einer Veranstaltung teilzunehmen, die oft als elitär kritisiert wird. Im Dreiklang ESG – Umwelt, Soziales, Governance – ist zu beobachten, dass das Soziale immer wichtiger wird – auch beim Themenkomplex Bildung. Neue Initiativen sollten aber nur einflussreiche Konzerne präsentieren und das am besten gemeinsam mit den Institutionen, die von den Vorhaben profitieren.

 

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WEF 2022 Medienanalyse

Das Weltwirtschaftsforum (WEF) 2022 in Davos: die Medientrends-Analyse von Cision Insights zeigt, über welche Themen die Medien wie berichtet haben. Lohnt die Veranstaltung für Unternehmen als Kommunikationsplattform?