Social Media – ein Katalysator für Sensationsmeldungen & unumgänglicher Begleiter der politischen Kommunikation

 

Die schnelle Verbreitung von Geschichten via Social Media haben nicht nur den Lobbyismus nachhaltig verändert. Sensationsmeldungen, oftmals mit Fake-News gekoppelt, werden tagtäglich über die sozialen Netzwerke und Online-Plattformen verbreitet, konsumiert und haben Einfluss auf z. B. Kaufentscheidungen und Wahlverhalten. 

 





Erhöhte Verbreitung von Sensationsmeldungen über soziale Kanäle

 

Alexander M. Schmitt-Geiger, Geschäftsleiter bei COMMUNICATION PUBLIC AFFAIRS, der zahlreiche Public Affairs Kunden im Bereich Social Media betreut, erläutert, was zur erhöhten Verbreitung von Sensationsmeldungen über die sozialen Kanäle führt: „Die Algorithmen von Facebook & Co. spülen Posts in Newsfeeds der Nutzer nach oben, welche die längste Verweildauer im Medium versprechen. Und dies sind vor allem angstauslösende Inhalte. Deshalb waren von Russland gesteuerte Bots auch beim Bundestagswahlkampf 2017 so erfolgreich, als es darum ging, Angst vor Geflüchteten und dem politischen Kurs von Angela Merkel zu schüren. Im Ergebnis war dies mitverantwortlich dafür, dass es die AfD 2017 in den Bundestag schaffte.“ Daraus schlussfogert er: „Diese Gemengelage politischer Social Media-Kommunikation wird besonders problematisch, wenn zum Teil ausländische, staatliche Akteure und pressure groups die Kommunikation auf Social Media Kanälen mittels Social Media Bots anheizen und skandalisieren.“ Und er führt aus, dass insbesondere zu Krisenzeiten und höchstaktuell die andauernde Corona-Krise einen idealen Nährboden für Interessensgruppen bildet, die „alternative Wahrheiten“ verbreiten, um die Unsicherheit und Angst der Menschen für ihre eigene Agenda zu nutzen – oftmals die Destabilisierung unserer Strukturen.

Schmitt-Geiger rät dazu, sich um eine professionelle Social Media Strategie zu kümmern, denn die Sozialen Netzwerke nehmen immer mehr an Bedeutung zu und fungieren immer häufiger als individuelle, auf den Nutzer zugeschnittene Nachrichtenkanäle. So genannte Snack-News, also das nebenbei informieren, wird mit der Verbreitung von Smartphones immer wichtiger. Hier werden Menschen auch mit Nachrichten konfrontiert, nach denen sie nicht gezielt suchen, was in Fachkreisen „incidental news exposure“ genannt wird, erklärt die Kommunikationswissenschaftlerin Prof. Dr. Katharina Kleinen-von Königslöw und führt aus, dass obwohl prozentual nur ein einstelliger Teil der europäischen Bevölkerung sich auf sozialen Netzwerken über Nachrichten informieren, spielt die Art und Weise des Konsums  der Verbreitung von Fake-News in die Karten – nämlich nur das Lesen der Überschrift oder des Teasers. Insbesondere rechte Parteien und Interessengruppen, die von traditionellen Medien oftmals kritischer Berichterstattung ausgesetzt sind, nutzen Social Media, um Ihre Argumente zu verbreiten. Schmitt Geiger beschreibt ihre Strategie wie folgt: „Mit gut recherchierten Themen, die spitz und übertrieben getextet werden und immer mit einer seriösen Quelle verlinkt sind, schafft es die Partei, das freischwebende Empörungspotential ihrer Follower anzuheizen.“ Die Sozialen Netzwerke haben viel zu spät reagiert und angesichts der Flut an Meldungen sind sie über den Punkt hinaus, Herr der Lage zu werden. Das einzige, was man tun kann, um die Verbreitung von Falschmeldungen einzudämmen, ist die Menschen dafür zu sensibilisieren und aufzuklären, so Kleinen-von-Königslöw.

 

Eine erfolgreiche Social-Media-Kampagne geschieht jedoch nicht zufällig:

 

Um als politischer Akteur rechtzeitig im Bereich Social Media Fuß gefasst zu haben, fängt man mit der Umsetzung der Social Media Kampagne früh vor Wahljahren an, damit man eine Followerschaft aufbaut und seine in sich schlüssigen Botschaften bis zur Wahl platziert. Wenn das Wahljahr näher rückt, sollte man seine Ressourcen so planen, dass man die eigenen Standpunkte auch online „verteidigen“ kann. Um zu vermeiden, dass sich der politische Diskurs durch die Snack-Kultur von Social Media zu einem Schwarz-Weiß-Austausch an provokanten Headline-Positionen entwickelt, empfiehlt Schmitt-Geiger,  „Social Media als Teaser zu nutzen“ und  erklärt „Rezipienten sollen durch verkürzte und gut gemachte Onlinekommunikation zu einer tiefergehenden Auseinandersetzung mit Argumenten gebracht werden. Diese vertieften Quellen sollten dann entsprechend verlinkt sein.“ So könne man Social Media sinnvoll einsetzen und verhindere eine Abwanderung des Diskurses in den Populismus.

 

Personalisierte Politische Kommunikation

 

Die Verwendung von Social Media für Wahlkampf und politische Kommunikation ist nicht der Einzige Exportschlager aus den Vereinigten Staaten, der für Deutschland an Bedeutung gewonnen hat: Die personenbezogene politische Kommunikation hat laut Schmitt-Geiger zwar bereits mit dem Bundestagswahlkampf 1998 mit Gerhard Schröder Einzug gehalten, wohingegen es zuvor unüblich war Privates preis zu geben und der Wahlkampf auf rein politische Inhalte beschränkt war. Mit Einzug des Storytellings und dem Vormarsch von Social- und Online-Medien hat die Inszenierung der Person hinter der Politik an Bedeutung zugenommen. Er führt aus, dass dies daran liege, dass Politiker erkannt haben, dass man mit Storytelling nur dann interessante Geschichten erzählen kann, wenn diese emotional triggern und das ist nur der Fall, wenn menschliche Protagonisten involviert sind. Die Identifikation mit der Person ist zur  Währung in der politischen Kommunikation geworden. Aber nicht nur da: Auch Unternehmen schicken Ihre CEOs an die Front, um ihren Interessen Gewicht zu verleihen. Ein bekanntes Beispiel für einen CEO mit eigenen Überzeugungen ist Joe Kaeser von Siemens, der sich als einziger DAX-Vorstand eindeutig gegen die AFD geäußert hat. Aber zuvor hat er sich die Legitimation von der Siemens-Belegschaft abgeholt.  

Zudem funktionieren Social- und Online-Medien anders als traditionelle Medien: Sie sind bunt und schnell. Daher erfodern sie eine visuelle Komponente, die durch nüchterne Policies-PR nicht ausgefüllt werden kann. Personalisierte politische Kommunikation bietet das ideale Mittel, um die Inhalte der Policies auf den bunten Bildschirm zu bringen. Holger Lösch, stellvertretender Hauptgeschäftsführer und ehemaliger  Kommunikationschef des Bundesverbands deutscher Industrie (BDI) hat es angesichts der klaren Haltung des BDI-Präsidenten gegen die AFD wie folgt formuliert: „Dieter Kempf ist eine Persönlichkeit und kein Sprachrohr für den BDI. Er bringt seine persönliche Meinung zum Ausdruck – aber immer so, dass er sich mit Blick auf unsere Mitglieder sicher fühlt. Vielleicht teilt nicht jedes Mitglied seine Meinung zu 100 Prozent. Aber wenn ein Präsident nur vorformulierte Sätze wiedergibt, dann könnte man auch einen Sprechautomaten hinstellen.“

 

 

 

 



 

 

Der dritten Teil der Artikelserie zum Thema "Politische Kommunikation im Wandel"

 

Lesen Sie kommende Woche den nächsten Teil unserer Serie Politische Kommunikation. Dann werden wir uns mit dem Thema "Bedarf an crossmedialem Medien-Monitoring und komplexer Medienresonanzanalyse steigt" beschäftigen.