Welche Entwicklungen werden Kommunikation und Marketing 2023 prägen?

 

Petra Sammer, Susanne Marrell, Prof. Dr. Michael Bürker, Katja Kupka, Benjamin O`Daniel, Jun.-Prof. Dr. Helena Stehle, Laurent Bussmann: das sind nur einige der Experten, die wir im Rahmen unseres Trends Whitepapers danach befragt haben, von was sie 2022 überrascht waren und was das Jahr 2023 ihrer Meinung nach prägen wird.

Herausgekommen ist eine sehr abwechslungsreiche Einschätzung unserer Experten:Innen. Sie reicht vom Druck der Öffentlichkeit auf Unternehmen, sich zu sozialkritischen und gesellschaftspolitischen Themen zu äußern, über den Einsatz von KI in allen Bereichen der Kommunikation bis hin zur zunehmenden Verzahnung von Kommunikation und Marketing. Abgerundet werden die Einschätzungen unserer Experten aus Deutschland von Perspektiven weiterer Experten aus den USA, Großbritannien und China. 

🔸 In diesem Beitrag möchten wir Ihnen die Einschätzungen von Prof. Dr. Michael Bürker, Senior Advisor, SCRIPT Consult & Professor für Marketing, Kommunikation und Marktforschung an der Hochschule Landshut, näher vorstellen.

 

Wie beurteilen Sie das Jahr 2022 in Hinblick auf PR, Kommunikation, Social Media und /oder (Online- / Content-) Marketing?

Der Angriff Russlands auf die Ukraine, explodierende Preise für Energie, Inflationsrate über zehn Prozent – damit hat Ende 2021 wohl kaum jemand gerechnet. Angesichts dieser Situation hat es marketing-orientierte Kommunikation schwer, die Verbraucher halten ihr Geld zusammen. Die Mitarbeiter- und Führungskommunikation dagegen weiter an Bedeutung gewonnen. Die richtige Balance zwischen Here und Anywhere haben viele Unternehmen und Agenturen noch nicht gefunden. Führen auf Distanz wird häufig nach dem Prinzip Trial and Error praktiziert.

Überraschend ist, wie ComTech zu einem der Buzzwords des Jahres aufsteigen konnte. Dass Digitalisierung, Daten, Vernetzung und Integration zentrale Anforderungen an ein professionelles Kommunikationsmanagement sind, ist im Prinzip nichts Neues. Hier zeigt sich eher eine Umsetzungsschwäche der Profession. Ansonsten haben sich die Trends des Vorjahres fortgesetzt: mehr Orientierung nach außen, mehr LinkedIn, mehr Bewegtbild, mehr Podcasts.

 

Was hat Sie 2022 in Ihrem Bereich am meisten überrascht – positiv oder negativ?

Am meisten überrascht hat mich die mediale Auferstehung von Annalena Baerbock. Nach den Pannen ihrer Kanzlerkandidatur hätten das viele nicht für möglich gehalten. Auch der konsequente und beherzte öffentliche Auftritt von Nancy Faeser gehört für mich zu den positiven Kommunikationsüberraschungen des Jahres.

In der Unternehmenskommunikation hat mich die weitere Zunahme von Selbstreferenz irritiert: Weniger Mailadressen, weniger Telefonnummern. Viele Unternehmen sprechen über sich, hören aber kaum zu. Viele Kommunikatoren liken vor allem Kunden und Kollegen. Trotz Wunsch nach mehr Präsenz und sozialer Nähe verharren viele in der Komfortzone der Online-Welt. In den sozialen Medien gelingt es unserer Profession kaum, die eigene Blase zu verlassen. Dabei müsste dies zur Kernanforderung guter Unternehmenskommunikation gehören.

Bedauerlich ist, dass das Thema Nachhaltigkeit und damit auch die Nachhaltigkeitskommunikation in vielen Unternehmen in den Hintergrund gerückt ist. Angesichts der wirtschaftlichen Lage und aufgrund der aufgeschobenen CSR-Berichtspflicht verständlich, mit Blick auf die Folgen der Klimakrise vor allem für folgende Generationen aber kaum verantwortbar. Dabei bietet konsequentes Nachhaltigkeitsmanagement vielfältige Chancen für Marketing und Kommunikation: bei Kund:innen, Bewerber:innen und Investor:innen. Sich nicht nachhaltig zu verhalten, ist mittelfristig risikoreicher und teurer als ein schrittweiser, aber konsequenter Strategiewechsel.

 

Welche Entwicklung(-en) wird / werden das Jahr 2023 im Bereich von Kommunikation / Marketing / Social Media oder darüber hinaus beherrschen?

Ganz oben auf der Agenda der Unternehmenskommunikation wird auch 2023 die Bewältigung der multiplen Krisen stehen. Vor allem die Arbeitgeber-Kommunikation wird angesichts fehlender, guter ausgebildeter Fachkräfte in nahezu allen Branchen, weit nach vorne rücken. Sie darf aber nicht zu einer Schlechtwetter-Strategie werden, die sofort zurückgefahren wird, sobald Licht am Horizont erscheint.

Zugleich wird datengetriebenes – und damit evidenzbasiertes – Kommunikationsmanagement weiter an Bedeutung gewinnen. Der Aufbau entsprechender Kompetenz und die weitere Digitalisierung des Kommunikationsmanagements wird hier im Vordergrund stehen. Wesentlich wird dabei sein, der normativen Kraft des Faktischen nicht zu erliegen und die Möglichkeiten und Grenzen genau zu verstehen. Wir kommunizieren nicht mit Daten, sondern mit Menschen.

 

Mit was möchten Sie Sich 2023 stärker als bisher befassen?

Resonanz und Resilienz. Ich erwarte, dass wir nach einer Phase der Diskussion über Resilienz bei Individuen, zu der Frage übergehen, wie Organisationen systematisch mehr Krisenresistenz und die Fähigkeit zur Selbstbehauptung entwickeln können. Ich bin überzeugt, dass sie sich dafür wieder mehr öffnen und auf Resonanz mit ihrem Umfeld einlassen müssen. Dafür liefert die PR- und Kommunikationsforschung bislang nur wenig systematische Ansätze. Hier lohnt die vertiefte Auseinandersetzung mit Psychologie und Soziologie. 

 

🤝 Hier können Sie sich mit Prof. Dr. Michael Bürker vernetzen 👉 LinkedIn