Unternehmen sind immer politisch

 

Alle Unternehmen haben politische Interessen, da sie bestrebt sind, ihren Vorteil aus der Gesetzeslage zu ziehen. 

Ob Bau-, Umwelt-, Wirtschaft- oder Steuerpolitik – alle Gesetze haben in einer Demokratie mit Gewalteinteilung ihren Ursprung in der Legislative. Dementsprechend ist Lobbyarbeit fester Bestandteil politischer Kommunikation insbesondere bei großen Unternehmen. Die Vertretung der Unternehmensinteressen vor Gremien, Ausschüssen, sowie im öffentlichen Diskurs hat das Ziel, Einfluss auf die Politik auszuüben. Dies hört jedoch nicht bei der Lobbyarbeit auf. Der öffentliche Raum ist geprägt vom politischen Diskurs und Unternehmen können  sich durch die Darstellung ihrer Positionen und Werte eine politische Identität schaffen, die sie ins richtige Licht rückt, Vertrauen schafft und ihnen einen Wettbewerbsvorteil bringt.

 

 

Eine Gratwanderung für Unternehmen – die richtige politische Positionierung

 

Unternehmen werden heute mehr denn je als politische Akteure gesehen. In Anbetracht der Vielfalt am Markt sind Kunden heutzutage wählerischer geworden. Wo früher Funktionalität und ein kesser Slogan gereicht hat, um ein Produkt an den Mann oder die Frau zu bringen, ist das heutzutage nicht mehr genug. Werte wie Nachhaltigkeit, Inklusion etc. entscheiden immer öfter über eine Kaufentscheidung, denn Kunden setzen sich im Vorfeld vermehrt mit der Brand, der Identität und den Praktiken des Unternehmens auseinander. Laut der Studie „Consumer Culture Report 2020“ von der amerikanischen PR Agentur 5WPR geben 83 Prozent der Millenials an, von Unternehmen zu kaufen, dessen politische oder soziale Wertvorstellungen mit ihren eigenen übereinstimmen. Dementsprechend stehen Unternehmen unter Druck, sich politisch positionieren zu müssen.

Gleichzeitig ist dies auch eine große Herausforderung, sagt  Vince Leibowitz von der The Dawn Group aus Austin, Texas, die für die politische Kommunikation von zahlreichen Unternehmen, NGO’s und Parteien zuständig ist, im Interview mit Cision. Er führt aus, dass dies insbesondere für Unternehmen gelte, die Kunden „on both sides of the aisle“ – wie der US-Amerikaner sagt – haben und/oder börsennotiert sind. Denn sie müssen sich besonders vorsichtig im politischen Klima bewegen, da jeder Fehltritt schlimmstenfalls im Boykott der Kunden oder Absturz der Aktien enden kann. Konzerne sind von vielen Parteien umgeben, auf dessen Wohlwollen sie angewiesen sind.

Ein diplomatischer Weg, ohne sich zu einer bestimmten politischen Gesinnung zu bekennen und alle Seiten gleichermaßen zu bedienen, ist die Vertretung von universell gültigen Ideen und Policies des gesellschaftlichen Kontextes, in dem sich das Unternehmen bewegt, wie z. B. die Idee von Demokratie oder der Aufruf an die Bürger wählen zu gehen. Sie betonen damit die Wichtigkeit dieses grundlegenden Fundaments und stehen für etwas ein, was ohnehin bereits Konsens ist.

 

Es ist ein schmaler Grat zwischen der Positionierung als Unternehmen, welches die politischen Werte der Zielgruppe vertritt und der Gefahr in eine Krise hineinzuschlittern.

Unternehmen können jedoch auch davon profitieren, sich in eine bestimmte politische Richtung zu positionieren. Wenn ihre Zielgruppe z.B. Millenials sind, dann punkten sie mit einer Vertretung von vorwiegend liberalen Werten, wie aus dem Consumer Culture Report 2020 hervorgeht. Beispiel für eine erfolgreiche Positionierung zu den sozialen Bewegungen Vielfalt, Body Positivity, Inklusion und LGBTQ-Rechte ist Fenty – die Beauty-, Fashion- und Lingerie-Marke der amerikanischen Pop-Sängerin Rihanna. Hier wirkt das Messaging der Marke authentisch und passt mit den Werten der Zielgruppe überein. Fenty stellt provokativ solche Werte zur Schau und es wirkt kein bisschen so, als würden sie dies nur für den Profit tun, obwohl sie definitiv eine Marktlücke gefunden haben, sondern weil sie sich dafür einsetzen alle Menschen unabhängig von Hautfarbe, Geschlecht oder Body-Type zu repräsentieren und damit leisten sie einen sozial-politischen Beitrag, der über Konsum hinausgeht.

 

Einheitliche Position

Ob man sich als Unternehmen unparteiisch oder einem politischen Lager zugehörig positioniert – immer muss einheitlich kommuniziert werden. Jeder, der die Firma nach außen repräsentiert, muss schlüssige und konsequente Botschaften zur politischen Ausrichtung der Firma übermitteln können. Welche fatalen Konsequenzen es hat, wenn dies nicht der Fall ist, hat man vor einigen Jahren bei Barilla gesehen: Barilla, als weltmarktführender Nudelproduzent aus Italien hat sich zwar mit Themen, wie Familie geschmückt, war jedoch nie dem konservativen Spektrum zuzuordnen und wirkte eher unparteiisch. In einem Radio-Interview 2013 äußerte sich der CEO abwertend gegenüber Homosexuellen. Er sagte, er könne sich niemals vorstellen mit ihnen zu werben, da Barilla Produkte für Familien herstellt und Homosexuelle nicht dazu gehören würden. Durch diesen Kommentar, der ein sensibles politisches Thema, nämlich LGBTQ-Rechte und Repräsentanz tangierte, änderte sich Barillas Wahrnehmung in der Öffentlichkeit von neutral zu konservativ oder gar rechts. Sofort kam ein medialer Shitstorm auf und das Unternehmen wurde boykottiert. Schlussendlich musste sich der CEO entschuldigen und nach einem Wechsel im Management einige Jahre später hat Barilla ein lesbisches Paar auf der Verpackung einer Sonderausgabe der Nudeln veröffentlicht und damit ein Statement gesetzt. Sie haben darauf reagiert, dass heutzutage in unserer Gesellschaft liberale Werte Mainstream sind und die PR-Krise als Chance gesehen, sich zu diesen zu bekennen. Auch ein Unternehmen kann lernen, so die Botschaft. Das wird oftmals von der Öffentlichkeit akzeptiert.

 

Taten sprechen lauter als Worte

Eine Repräsentation von solchen Werten alleine reicht nicht immer aus, um authentisch zu wirken. Hierbei gilt: Put your money, where your mouth is. Wer als Unternehmen ein Branding entwickeln will, welches mit einer politischen Position in Verbindung gebracht wird, muss seine Worte in Taten umsetzen. Unterstützung von einem guten Zweck ist zwar löblich, reicht jedoch vereinzelt nicht aus, um daraus PR-Gold zu machen. Oftmals wird solchen Unternehmen auch „Greenwashing“ unterstellt. Die Annahme einer gesellschaftlichen Verantwortung und die Verfolgung einer einheitlichen Linie bei der Umsetzung ist erforderlich, um sich als ethisches Unternehmen zu positionieren.

 

Corporate Social Responsibility – der Ethik-Bericht

Seit 2017 sind Unternehmen mit über 500 Mitarbeitern in Deutschland dazu verpflichtet, Berichte zu ihrer Corporate Social Responsibility zu veröffentlichen, die ihre gesellschaftliche, wirtschaftliche und ökologische  Verantwortung betreffen. Diese kann interne Ziele, wie Arbeitsbedingungen, Korruptionsbekämpfung oder externe, wie Senkung des ökologischen Fußabdrucks beinhalten. Teil dessen ist auch die kritische Auseinandersetzung mit negativen Auswirkungen des unternehmerischen Handelns, aber auch mit möglichen Lösungsansätzen. Diese Transparenz dient nicht nur dem Staat dazu, den Fortschritt bei der Erreichung von gesetzlichen Zielen zu kontrollieren, sondern sie stärkt das Vertrauen von Kunden, Stakeholdern, Geschäftspartnern und Bewerbern zum Unternehmen. Gemäß dem Motto: „Tue Gutes und rede darüber“, haben Unternehmen hier die Möglichkeit aufzuzeigen, für welche Themen sie sich einsetzen.

Ein Greenwashing kann jedoch auch große Makel am Unternehmens-Image hinterlassen, insofern die öffentliche Inszenierung des Unternehmens nicht mit der Realisierung von nachhaltigem Handeln übereinstimmt. Sich umweltfreundlich geben, dies jedoch nicht in den Produktions- und Lieferketten umzusetzen, birgt ein großes Risiko: den Verlust an Vertrauen seitens der Konsumenten, Stakeholdern, etc. Daher gilt auch hier der Grundsatz: Taten sprechen lauter als Worte.

 

Wahljahre für die Bildung einer politischen Identität nutzen

Insbesondere Wahljahre sind ideale Zeiten, um sich als politischer Akteur aufzubauen. Der öffentliche Diskurs ist politisch und das medial inszenierte Event ist die Wahl. Unternehmen können diese Grundstimmung als Anlass nehmen, ihre politische Identität zu bilden oder zu festigen. Wie bereits erwähnt, geht man als Unternehmen auf Nummer sicher von der Unterstützung einer bestimmten Partei abzusehen und eher allgemein gültige Themen aufzugreifen, wie z.B. Demokratie. Vince Leibowitz von der The Dawn Group rät B2C-Unternehmen dazu, das Momentum der Wahl zu nutzen, insofern sie Produkte vertreiben, die sich die Kundschaft nach Hause holt. Dazu gehören unter anderem Essen, Telekommunikation, Möbel etc. Er argumentiert, dass diese Unternehmen einen persönlichen Zugang zu ihrer Kundschaft haben und es „natürlich“ ist, ein Thema, wie den Aufruf wählen zu gehen zu platzieren.

Jedoch bietet die Wahl auch eine Chance für Unternehmen, sich zu bestimmten Themen medial zu inzenieren. Dies sollten sie fundiert entscheiden: Wenn Unternehmen nach gründlicher Evaluation feststellen, dass ihre Zielgruppe zu bestimmten politischen Werten tendiert und man selbst diese nachweisbar vorlebt, ist die Gefahr von Gegenwind gering. Um das Risiko eines möglichen Image-Verlustes einschätzen zu können, müssen sich Unternehmen im Vorfeld gründlich mit ihrer Zielgruppe und mit ihren eigenen Praktiken kritisch auseinandersetzen. Als Belohnung für dieses Wagnis winkt ein Image als Vorreiter zu dem beleuchteten Sachverhalt und ein steigendes Vertrauen seitens der Zielgruppe, Stakeholder etc. Um das Risiko eines Skandals abzufedern, können Unternehmen auch im Rahmen ihrer Wirtschaftsverbände Stellung beziehen. Wenn die Strategie aufgeht, stechen sie zwar nicht heraus, stehen jedoch auch auf dem Treppchen der positiven Publicity.